Paul Kornfeld

Als Paul Kornfeld in der dritten Aprilwoche 1942 in Lodz mit 53 Jahren von den Nazis verhaftet wurde, bestätigte sich für ihn nur, was er die ganze Zeit vorausgesehen hatte. Obwohl er sich von seiner jüdischen Prager Herkunft – der Vater war Fabrikant und hatte dem am 11.Dezember 1889 geborenen Sohn eine behütete Kindheit ermöglicht – bewusst löste und mit 25 Jahren voll zu jener urbanen Avantgarde stiess, die er in Frankfurt und Berlin antraf und deren Sprachrohr er 1918 mit seinem gegen die Psychologie gerichteten Manifest «Der beseelte und der psychologische Mensch» wurde, blieb doch eine tiefe Heimatlosigkeit und Einsamkeit in ihm zurück. «Wartet nur, komme ich noch einmal auf die Welt, bin ich die Pest», ruft der unerlöst-unglückliche Protagonist des Dramas «Die Verführung» 1917 sterbend aus, in «Himmel und Hölle» stehen 1918 Sätze wie «Es fegt ein ewiger Sturm über die Erde, und alles ist Schrei und Brand und Krampf». Am erschütterndsten aber hat Kornfeld seine Religion des Leidens in der Tragödie umgesetzt, die indirekt sein eigenes Schicksal spiegelte: «Jud Süss» von 1931, der Geschichte des Süss Oppenheimer, der sich trotz heftigstem Anpassungswillen nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren kann und am Ende dem Antisemitismus zum Opfer fällt. Genau wie Kornfeld selbst, den der Status als einer der führenden Dramatiker des Expressionismus nicht vor der Shoa bewahrte. Denn weder Anpassung, noch Verleugnung des Eigenen schützen, so seine bittere Erkenntnis, vor Hass, Leid, Verfolgung und Ermordung. Seltsam, dass es dem genuinen Dramatiker in den letzten Jahren, als er in jenem Prager Hinterzimmer lebte, wo ihn die Gestapo am 31.Oktober 1941 aufstöbern sollte, gelang, einen Roman zu schreiben. «Blanche oder Das Atelier im Garten» heisst er und schildert das Leben einer jungen Frau, die sich ganz in ein einsames Gartenhaus zurückzieht und Briefe an einen imaginären Geliebten schreibt, bis sie aus dem Atelier vertrieben wird und sich mit Veronal umbringt.