John Knittel 1891–1970

John Knittel

John Knittels 1935 uraufgeführtes Theaterstück «Protektorat» war eine Dramatisierung des 1931 «Heute auf dem Sattel in der Wüste, morgen auf dem Golfplatz, beim Sultan von Marokko gestern, mit Thomas Mann die Hirtenwelt von ‹Josef und seine Brüder› in Luxor beredend – so stellt man sich dieses Vollblut von einem Romancier vor, wenn man ihn abendstundenlang erzählen hört.» «NZZ»-Redaktor Eduard Korrodi war einer von wenigen Kritikern, die John Knittel ihre Sympathie auch dann nicht versagten, als klar wurde, dass er seine Bestseller auf Englisch schrieb und ins Deutsche übersetzen liess und dass sein Leben mindestens so abenteuerlich war wie jenes seiner Figuren. Am 24. März 1891 als Sohn eines Basler Missionars im indischen Dharwar geboren, wurde er 1904 am Basler Gymnasium Mitschüler von Carl Jacob Burckhardt, der ob dem «staunenswerten Fremdling» entzückt war und ihm auch später stets mit Neugier begegnete. Nach abruptem Schulabbruch finden wir ihn 1910 in London, wo er zunächst bei der Crédit Lyonnais, dann bei der Filmgesellschaft Polyscope arbeitet und 1915 die siebzehnjährige Frances Rose WhiteBridger heiratet. Angeregt durch den Freund und Mentor Robert Hichens beginnt er ab 1919 in englischer Sprache Romane zu schreiben und gleichzeitig jenes Nomadenleben zwischen England, Afrika, Ägypten und der Schweiz zu führen, mit dem er legendär wurde. Erst 1938 übersiedelt er definitiv nach Maienfeld, wo er am 26. April 1970 an Herzversagen starb. Schon der erste, 1922 in deutscher Fassung erschienene Roman «Die Reisen des Aaron West», die Geschichte eines wüsten, aber liebeshungrigen Seebärs, der an der Liebe zu zwei Frauen zerbricht, wurde zu einem spektakulären Erfolg, den Knittel 1926 mit «Der Weg durch die Nacht» weiter ausbaute. «Thérèse Etienne» war 1927 Knittels erster in der Schweiz spielender Roman: ein Familiendrama, in dem ein junger Mann, von der Liebe zur wesentlich jüngeren zweiten Frau seines Vaters gepackt, zum Vatermörder wird. Ein Finale, das Knittel selbst so sehr zu schaffen machte, dass er 1939 in «Amadeus» den Sohn des mörderischen Paars die Tat mit einem Weltbeglückungsprojekt sühnen lässt. Seinen Weltruhm aber verdankt Knittel vor allem den Büchern, für die er seine Vertrautheit mit der arabisch-afrikanischen Welt nutzen konnte: dem fantastisch-visionären Archäologenroman «Der blaue Basalt» von 1929; «Abd-elKader» (1930), der Geschichte des gleichnamigen Rebellenführers und seines Kampfes für die Unabhängigkeit Marokkos; dem Fremdenlegionärsroman «Der Commandant» von 1933; dem ägyptischen Arztroman «El Hakim» (1936) und dem fulminanten Afrikaroman «Terra magna» von 1948. In der Schweiz errang Knittel den nachhaltigsten Erfolg mit dem 1934 erschienenen Roman «Via Mala», der Geschichte des brutalen Sägereibesitzers Jonas Lauretz, der seine Familie in eine derart ausweglose Situation treibt, dass es zur Ermordung des Tyrannen keine Alternative mehr gibt. Die «Kriminalgeschichte von dämonischem Einschlag und riesigem Ausmass» (Carl Seelig) hat bis heute immer neue Leserinnen und Leser gefesselt und überstand auch unbeschadet jene Phase in der Rezeption John Knittels, in der er, zu Unrecht, wie man inzwischen weiss, als Nazikollaborateur verdächtigt wurde. Er war allzu naiv und gutgläubig im Umgang mit den ihn umschwärmenden Grossen des Dritten Reiches, sein Werk aber, das von einer humanen Menschlichkeit und einem leidenschaftlichen Engagement für die Menschen der Dritten Welt geprägt ist, steht der Nazi-Ideologie so fern wie nur irgend denkbar.

Porträt John Knittel