«Es sind trunkene Leute, trunken von Literatur», qualifizierte ihr Mentor Erwin Jaeckle die aus ihm, Max Rychner, Walther Mei-er, Emil Staiger, Werner Weber und wechselnden Gästen zu-sammengesetzte, von 1942 bis 1982 im oberen Stock des Ode-ons tagende «Zürcher Freitagsrunde». Wobei die Literatur, die der ehemalige Lektor des Atlantis-Verlags als Kritiker, Essayist und nicht zuletzt sprachgewaltiger Lyriker betrieb, nur eine von Jaeckles eigenen Trunkenheiten war. Eine allerdings, die den Enthusiasmus für den lebenslang verehrten hymnisch-ekstati-schen Pansophen Rudolf Pannwitz ebenso mit umfasste wie das mitfühlende Verständnis für den unglücklichen Benn-Adep-ten und Dienstverweigerer Alexander Xaver Gwerder, dem der LdU-Nationalrat und unbeirrbare Anhänger der Schweizer Mi-lizarmee die Lyrikspalte der «TAT» weit offenhielt. Eine andere Jaecklesche Trunkenheit war die Naturphilosophie, im Rahmen derer der am 12. August 1909 in Zürich als Sohn eines Geome-ters Geborene in der Nachfolge des Paracelsus in Pflanzen und Elementen Spuren «Vom sichtbaren Geist» zu Tage förderte, wie sein Summum Opus von 1984 hiess. Wie er denn hinter dem offiziellen Christentum auch lebenslang nach der johann-eischen «Osterkirche» forschte, für die Christus nicht institutio-nalisierte Gottheit, sondern lebendige Gegenwart ist.
Grenzgänger zwischen allen Disziplinen und in jeder so brillant wie provokativ, war Jaeckle, der seinen Kosmos bis zu seinem Tod am 2.Oktober 1997 in über 80 Publikationen gedruckt zu-gänglich machte, für seine Zeitgenossen noch am leichtesten als streitbarer Politiker, Zürcher Gemeinderat, Nationalrat und Berater von Gottlieb Duttweiler wahrnehmbar – und natürlich als Chefredaktor der «TAT», die unter seiner Ägide die einzig potente Opposition in einem Eldorado des Konsenses war. Dies, obwohl die Zeitung in ihrer Samstagbeilage zugleich als ein Literaturforum fungierte, das in ganz Europa gelesen wurde und in dem Max Rychner nur ein derart elitäres Niveau halten konnte, weil «Capitano Jaeckle» die Hand über ihn hielt.