«ich bin der onkel»: Ernst Jandl (1. August 1925 - 9. Juni 2009
«der vater der wiener gruppe ist h.c.artmann/die mutter der wiener gruppe ist gerhard rühm/die kinder der wiener gruppe sind zahllos/ich bin der onkel.» So witzig-humorvoll, wie sich Ernst Jandl 1991 literaturhistorisch einordnete, hat er auch geschrieben, und man muss ihn einmal selbst vorlesen gehört haben, um nachfühlen zu können, wie hinreissend es ihm gelang, die schwierigste, modernste Form des Umgangs mit Sprache - das Lautgedicht, die konkrete Poesie - zu etwas unmittelbar Einleuchtendem, ja Volkstümlichem zu machen. Verse wie «immer höher» oder «fünfter sein» machen schon die Jüngsten mit der poetischen Kraft der Sprache vertraut, Gedichte wie «ottos mops» («ottos mops trotzt/ otto: fort mops fort/ottos mops hopst fort/otto: soso/ otto holt koks/ otto holt obst/ otto horcht/otto: mops mops/otto hofft/ ottos mops klopft/otto: komm mops komm/ ottos mops kommt/ ottos mops kotzt/ otto: ogotttogott») gehören zu den hintergründigsten Sprachexperimenten seit Wilhelm Busch und den Dadaisten.
Der Mann, dessen Name wie seine Gedichte klingt, kam am 1.August 1925 in Wien zur Welt und starb am 9.Juni 2000. Als Kriegsgefangener hatte er 1945 die neusten Strömungen der amerikanischen Literatur kennengelernt, promovierte über Schnitzler, wurde Gymnasiallehrer und lernte 1954 Friederike Mayröcker kennen, mit der er bis zu seinem Tod Österreichs berühmtestes literarisches Paar bildete und mit der zusammen er Zugang zur Wiener Gruppe der Gerhard Rühm, Artmann u.a. fand.
Im nachhinein kaum zu glauben ist, wie sehr der Büchnerpreisträger von 1984 in seinen Anfängen angefeindet worden ist. Als im Walter-Verlag 1966 «Laut und Luise», der Band, der ihm den literarischen Durchbruch brachte, erschien, wurden die Gedichte von konservativer Seite als anstössig empfunden und trugen wesentlich dazu bei, dass Otto F. Walter aus dem väterlichen Verlag ausscheiden musste und zu Luchterhand wechselte, wo er in den folgenden Jahren weitere 15 Jandl-Bücher herausbrachte.