«Der Winter mag scheiden, der Frühling vergehn, / der Sommer mag verwelken, das Jahr verwehn. / Du kehrest mir zurücke, gewiss, du wirst mein, ich hab’ es versprochen, ich harre treulich dein . . .» Solvejgs Lied aus «Peer Gynt» ist in der wehmütigen Vertonung Edvard Griegs zum Inbegriff romantischer Schwärmerei geworden, obwohl Henrik Ibsen genau das mit dem 1867 in Italien geschriebenen Drama vom faustisch ringenden Peer Gynt, der sein Leben lang nie sich selbst gewesen ist und sterben muss, um es zu werden, leidenschaftlich bekämpfte.Genau so, wie der am 20. März 1828 in Skien geborene Sohn eines bankrotten Schnapsfabrikanten - der erst Apotheker und Medizinstudent gewesen war, ehe er nach ersten Versuchen mit dem Römerdrama «Catilina» und nationalromantischen Stücken wie «Das Fest auf Solhaug» und «Die Kronprädendenten» oder mit «Brand» 1866 zu seinem unverwechselbar eigenen Stil gefunden hatte - auch das Pathos und die Verlogenheit der Gesellschaft aufs Korn nahm und nicht müde wurde, die bürgerliche Grundfeste par excellence, die Ehe, als brüchig und marod zu denunzieren. In «Nora oder Ein Puppenheim» (1879) am unverhülltesten, aber fast noch eindringlicher, glaubwürdiger in den «Gespenstern» (1881), in «Ein Volksfeind» (1882), «Die Wildente» (1884) oder «Hedda Gabler» (1890). Wobei sich der anfängliche Naturalismus immer deutlicher zu einer Schreibweise verdichtete, die sowohl den Symbolismus als auch die Psychoanalyse vorwegnahm.
«Im Gegenteil», lautete Ibsens letztes Wort, als er am 23. Mai 1906 78-jährig in Oslo starb, das damals noch Kristiania hiess. Ob in dem als unverständlich geltenden Ausspruch nicht doch das Geheimnis seiner nach wie vor ungebrochenen Aktualität liegt? Dass er seine bohrenden Fragen nur stellt, aber nie beantwortet, ja dass von jeder vermeintlich gültigen Antwort in einem nie endenden intellektuellen Pingpong stets auch «das Gegenteil» möglich wäre?