Cuno Hofer

»Ich wüsste über den Tod kein einziges Wort zu sprechen. Er schlägt uns, reisst nieder und verwundet die Lebenden. Sein möchte ich, sein dürfen, nichts anderes; existieren, von Gewalttätigen verschont.« - Der diese Worte gegen den Tod spricht, heisst Cleve und ist einer der Protagonisten in Cuno Hofers Bildungsroman Meine Geschichte und die meiner Gäste. Das Buch erschien 1930 im Amalthea-Verlag und weckte grosse Erwartungen. Die Kritik stellte den Roman des vierundvierzigjährigen Schweizers unbedenklich neben Goethes Wilhelm Meister und Kellers Grünen Heinrich - was angesichts unverkennbarer Mängel entschieden zu hoch gegriffen war, immerhin aber gewisse verwandte Züge kennzeichnete. Es geht um die innere Biographie dreier charakterlich sehr verschiedener Jugendfreunde, die auf Anregung eines Weisen nach langen Jahren wieder zusammenkommen, um Lebensbilanz zu ziehen. Nach den Erfahrungen des grossen Krieges und vielerlei individuellen Schicksalsstürmen kommen sie zur Erkenntnis, dass das eigentliche Ziel des Menschen ein geistiges, ideales sein müsse. Erstmals war es Hofer mit diesem Roman gelungen, das Trauma des Weltkrieges, das sein Schaffen bis dahin fast monomanisch bestimmt hatte, in glaubwürdige dichterische Bilder umzusetzen.
Als Auslandschweizer in Genua geboren, hatte Hofer in Zürich Jus studiert, war einige Jahre Diplomat gewesen und hatte 1914-1919 als Privatdozent für Völkerrecht in Genf gelebt. Dass Cilette Ofaire, die er in jenen Jahren als Sekretärin beschäftigte, ihn an schriftstellerischem Ruhm eines Tages übertreffen würde, hat er wohl kaum vorausgeahnt. Damals war er auch Herausgeber der patriotisch orientierten Zeitschrift Schweizerland, die Felix Moeschlin redigierte. Während und kurz nach dem Krieg erschienen Hofers Abhandlungen Die Keime des grossen Krieges bzw. Der Ausbruch des grossen Krieges, denen er 1922/23 mit Spiel der Hölle und Nachspiel der Hölle je eine legendenhaft-dichterische Bearbeitung des Themas folgen liess: leidenschaftliche schriftstellerische Versuche, durch Analyse und Infragestellung des letzten einen nächsten Krieg zu verunmöglichen. Nach 1919 lebte Hofer als Schriftsteller und Gelehrter in der Nähe von Tokaj in Ungarn, wo er nebenbei die Güter seiner Frau, einer Gräfin Dessewffy, verwaltete und Zeuge der ungarischen Revolutionswirren wurde, wie sie auch in Meine Geschichte und die meiner Gäste eingegangen sind.
Nach diesem Roman durfte man zu Recht noch viel von Cuno Hofer erwarten. Aber unversehens holte ihn die Gewalttätigkeit, gegen die er sich lebenslang gewehrt hatte, doch noch ein und riss ihn aus seiner mondänen Welt heraus. Am 9. Januar 1931 wurde er im Carlton-Hotel St. Moritz von der Engländerin Simone Boulter mit vier Pistolenschüssen ermordet und erlangte so, als Opfer eines Eifersuchtsdramas, einen Moment lang traurige Berühmtheit. Als Autor jedoch besass Hofer trotz des lesenswerten späten Roman-Erstlings noch keinen bleibenden Namen. Immerhin aber hat er so etwas wie Weite, Internationalität und nicht zuletzt tätiges Mitbetroffensein durch den Krieg in die damalige Schweizer Literatur hineingebracht.
(Literaturszene Schweiz)

Hofer, Cuno

*Genua 9.6.1886, †St.Moritz 9.1.1931, Diplomat, Publizist und Schriftsteller. Der Sohn von Auslandschweizern promovierte nach Studien in Berlin, Bonn und Zürich 1910 zum Dr. iur. und trat anschliessend in den diplomat. Dienst. 1914, eben PD für Völkerrecht in Genf geworden, wurde H. Mitbegründer der Ztschr. »Schweizerland«, die bis 1921 wesentl. zum Konsens unter den schweiz. Sprach- und Kulturgebieten beitrug. Zw. 1919 und seiner Ermordung als Opfer eines Eifersuchtsdramas lebte H. mit seiner Frau, einer geb. Gräfin Dessewffy, als freier Schriftsteller und Gutsherr in Bencsellö (Ungarn). Der Schriftsteller H. hatte sich 1917-22 in »Die Keime des grossen Krieges«, »Der Ausbruch des grossen Krieges«, »Das Spiel der Hölle« und »Das Nachspiel der Hölle« tiefgründige Gedanken über Wesen und Tragik des Krieges gemacht. 1930 erschien sein einziges erzähler. Werk, der romantisierende autobiograph. Entwicklungsroman »Meine Geschichte und die meiner Gäste«. (Schweizer Lexikon)



Hofer, Cuno

* 9. 6. 1886 Genua, † 9. 1. 1931 St. Moritz. - Jurist; Prosaschriftsteller.

Als Sohn von Auslandsschweizern kam H. mit 15 Jahren in die Schweiz u. studierte nach der Matura in Berlin, Bonn u. Zürich Rechtswissenschaften (Dr. jur. 1910). Er trat in den diplomatischen Dienst u. wurde 1914 Privatdozent für Völkerrecht in Genf. H. war Mitbegründer der Zeitschrift »Schweizerland« (1914-1921), die der inneren Konsolidierung der mehrsprachigen Schweiz dienen wollte. Während des Kriegs wurde er Mitgl. des schweizerischen Generalstabs. Tief betroffen vom Ausmaß des Völkerringens, ging er in Die Keime des großen Krieges (Zürich 1917) bzw. in Der Ausbruch des großen Krieges (Zürich 1919) dessen Ursachen nach u. vertiefte seine Schau dichterisch in Das Spiel der Hölle. Legende der modernen Menschheit (Lpz. 1922) u. in Das Nachspiel der Hölle. Eine Satire (Lpz. 1923). Verheiratet mit einer Gräfin Dessewffy, lebte er nach 1919 auf Schloß Bencsellö in Ungarn, wo sein einziger großer Roman Meine Geschichte und die meiner Gäste (Wien 1930) entstand: ein romantisierender Entwicklungsroman in der Tradition Stifters, der verschlüsselt das Leben des Autors u. dessen Leiden an der schweizerischen Enge gestaltet, aber auch die Enttäuschung über die polit. Entwicklung Ungarns nach 1918 spüren läßt. H. starb als Opfer eines Eifersuchtsdramas: Eine Engländerin streckte den 45jährigen im Palace-Hotel St. Moritz mit vier Pistolenschüssen nieder.
(Bertelsmann Literaturlexikon)