Papierschlange vor Ventilator: Emmy Hennings (1885-1948)

«... alles was gemacht wird im Leben, Hugo, Du kannst mir glauben, das wird nur anerkannt, solange Du Dich immerwährend in jeder Minute opferst - und wenn Du ausgesaugt bist, wird geschimpft», schrieb Emmy Hennings im Mai 1917 Hugo Ball aus Zürich nach Magadino. Sätze, die gut als Motto über dem Leben dieser Autorin stehen könnten, die am 10.August 1948 mit 63 Jahren in St.Abbondio starb. Sie hatte im Tourneetheater gespielt, war im Tingeltangel aufgetreten und hatte auch schon mal die Strasse gemacht, um sich und ihr Kind über Wasser zu halten, ehe sie in Schwabing zur umschwärmten Kabarettistin und Diseuse wurde und mit unverschämt offenen eigenen Gedichten und Texten Furore machte. 1915 emigierte sie mit Hugo Ball nach Zürich und war bei der Geburt von Dada aktiv mit dabei. Aber was laut Hermann Hesse «aus Verzweiflung über die Not der Zeit» und in bewusster Reaktion auf den Wahnsinn des Krieges entstanden war, wurde von den begriffsstutzigen Zürchern als harmloses Happening missverstanden und blieb ohne wirkliches Echo. Hugo Ball und die grazile Emmy Hennings, die laut Friedrich Glauser bei den Dada-Seancen jeweils so erregt war, dass sie ihm «wie eine bunte Papierschlange vor einem Ventilator» vorkam, zogen ins Tessin, wo sie zu jenem mystisch-euphorischen Katholizismus Zuflucht nahmen, dem Emmy Hennings nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1927 bis zuletzt treu blieb. Hugo Ball war es, für den sie sich in ihren letzten einsamen Jahren opferte: als Biographin und Bewahrerin seines Andenkens und indem sie tagsüber in der Fabrik arbeitete und abends schrieb und schrieb. Mausarm war sie, als sie starb, aber zu ihrer Hinterlassenschaft gehören einige der ergreifendsten Gedichte ihrer Zeit und ein erzählerisches Werk, das mit Titeln wie «Blume und Flamme» oder «Das flüchtige Spiel» erst noch zu entdecken wäre.