Alexander Heimann 1937–2003

Am 23. Januar 1997 feierte der Berner Bus Nr.12 einen Preisträger. Kaum war an der Schanzenstrasse ein bärtiger Herr mit Badetasche zugestiegen, veranlasste der Fahrer mit der Meldung, der eben mit dem Deutschen Krimipreis geehrte Schriftsteller Alexander Heimann fahre nun mit, die Passagiere zu begeisterten Ovationen. Der Fahrer war der legendäre Ueltsch Arnd, der früher «Bund»­Redaktor und Chefredaktor des «Bieler Tagblatts» gewesen war und Heimanns Werdegang seit der gemeinsam besuchten Buchhändlerschule mit Sympathie verfolgt hatte: die Tätigkeit bei Hachette in Paris, beim Warenhaus Kaiser und schliesslich bei Stämpfli in Bern, wo er eine Versandbuchhandlung aufbaute. 1980 erfolgte Heimanns keck und verfrorenes literarisches Debüt mit «Lisi», diesem an «Bonny and Clyde» gemahnenden Roman eines Ausbruchs aus allen bürgerlichen Zwängen, mit dem er sich nicht nur von seinen schreibenden Zeitgenossen, sondern auch von seinen Eltern, dem Dichter Erwin Heimann (1909–1991) und der Kinderbuchautorin Gertrud Heizmann (1905–1992), abgrenzte. 7 weitere Kriminalromane schuf Heimann in den verbleibenden 23 Jahren bis zu seinem Tod am 28. Mai 2003. Obwohl das Kriminalistische für ihn eher nebensächlich war, kam er doch immer wieder auf das Genre zurück. Sogar als er einen Liebesroman schreiben wollte, wurde es, wie er 2002 dem Kulturjournalisten Roland Erne anvertraute, «nach vierzig Seiten kriminell». Aus schweren Erlebnissen heraus – dem frühen Tod seiner ersten Frau etwa – fand Heimann zu einer Schreibweise, die ihn weit über das in den Dialektwendungen aufschimmernde und vom Schauplatz her unverrückbar gegebene Bernisch­Regionale hinaushob. Wie Aki Kaurismäki das Ferienland Suomi denunzierte Heimann die vermeintliche bernische Idylle in seinen einfühlsam porträtierten Figuren unentwegt als einen Abgrund von Verlorenheit, Einsamkeit und Verzweiflung. So entlarvte «Die Glätterin» 1982 die von Neid und Bigotterie geprägte «Normalität» eines kleinen Dorfes derart gnadenlos, dass das vorangestellte Hiob­Motto «Ihr schaut das Schreckliche und ihr schaudert» noch als Untertreibung erschien. «Honolulu» kam 1990 als flapsige Bundesrats­Entführungsgeschichte daher, verschaffte aber letztlich den «kleinen Leuten» Genugtuung, die sich durch die selbstherrlichen Allüren der Politik betrogen fühlen. «Wolfszeit» von 1993 ist ein erschütterndes Buch über das Altwerden, während «Dezemberföhn» 1996 im Outsider und Prügelknaben Josi eine Figur präsentierte, die auf beklemmende Weise deutlich macht, wie aus Mangel an Liebe Chauvinismus, Fremdenhass und schliesslich sogar Mordlust entstehen kann. Selten nur, gleichsam im Windschatten von Repression und seelischer Not, liess Heimann auch etwas wie Glück zu. In der leise angetönten Liebesgeschichte zwischen dem pensionierten Fahnder Kammermann und der Gammlerin Silvia im 2001 erschienenen letzten Roman, «Muttertag», etwa, die wie eine Koda nochmals auf die unmögliche Beziehung zwischen der frechen Lisi und ihrem «General» im Erstling von 1980 zurückweist. Es sollte den psychologisch meisterhaften, sprachmächtigen und in seinen Stimmungs­ und Landschaftsschilderungen grandiosen Alexander Heimann lesen oder wiederlesen, wer dem zurzeit die Schweiz überflutenden Krimiboom gerecht werden will.