Otto von Greyerz

*Bern 6.9.1863, †ebd. 8.1.1940, Literatur- und Sprachwissenschafter, Schriftsteller. Nach Studien in Bern, Göttingen, Berlin und Paris (Dr. phil. 1887) wirkte G., Sohn eines Berner Pfarrers, bis 1891 in Konstantinopel und dann in Bern und im Landerziehungsheim Glarisegg (1907-15, wo u.a. F. Glauser und C.J. Burckhardt seine Schüler waren) als Gymnasiallehrer, ehe er 1915 zum a.o. und 1916 zum o. Prof. für Methodik des Deutschunterrichts und Sprache und Literatur der dt. Schweiz an der Univ. Bern ernannt wurde. In dieser Funktion förderte G. einerseits mit Nachdruck die Pflege des Hochdeutschen (»Dt. Sprachschule für Schweizer Mittelschulen«, 1922; Kolumne »Sprachpillen« im Berner »Bund«, Buchausgaben 1938 und 1940), setzte aber andererseits auch die Bemühungen um eine Aufwertung und Reinerhaltung des Berner Dialekts fort, die er seit 1904 mit seinen »Berner Wörterbüchern«, ab 1908 mit seiner sechsbändigen Volkslieder-Slg. »Im Röseligarte« (1908-12 und 1925) sowie seit 1915 mit der Gründung und Leitung des »Berner Heimatschutztheaters« begonnen hatte. Diese anlässl. der Landesausstellung konstituierte Laientheatergruppe hatte und hat ihre grössten Erfolge nicht zuletzt auch mit den Dialektstücken von G. wie »Knörri und Wunderli« (1906) oder »Ds Schmocker Lisi« (1917). Eine problemat. Rolle spielte G. als Kritiker und Vermittler von zeitgenöss. Literatur; er förderte seinem Weltbild und seinem stark konservativ geprägten Kunstverständnis entsprechende Autoren wie R. von Tavel, S. Gfeller (»Briefwechsel«, hg. von E. Heimann, 1957), J. Reinhart oder E. Friedli, den Verfasser des monumentalen »Bärndütsch«-Werks (1905-28), während er Aussenseiter wie C.A. Loosli oder F. Glauser in ihrer Bedeutung verkannte und moderne, als provozierend verstandene Tendenzen wie den Expressionismus A. Fankhausers oder M. Pulvers vehement bekämpfte. Als Literaturwissenschafter befasste er sich bes. mit der älteren und der mundartl. Literatur der dt. Schweiz (»Von unsern Vätern - schweiz. Selbstbiographien«, 1912/13; »Die Mundartdichtung der dt. Schweiz«, 1924; »Sprache, Dichtung, Heimat«, Studien, 1933). G. initiierte auch die Erforschung der Berner Unterschicht-Mundart (»Das Berner Mattenenglisch«, in: Schweiz. Archiv für Volkskunde, 1929, Neudruck 1967) und sammelte Materialien für ein berndt. Wörterbuch, das 1976 von Ruth Bietenhard fertiggestellt und veröffentlicht wurde. … Lit.: Unserem O.v.G. zum 60. Geburtstag. Festschrift mit Bibliographie, Bern 1923; O.v.G. zum Gedächtnis, Bern 1940; Küffer, G.: Vier Berner, Bern 1963. (Schweizer Lexikon CH 91)


Greyerz, Otto von, * 6. 9. 1863 Bern, † 8. 1. 1940 Bern. - Dramatiker, Literatur- u. Sprachwissenschaftler, Essayist.

Der Pfarrerssohn, Sproß einer altbernischen Familie, besuchte das Lerber-Gymnasium u. studierte 1883-1887 in Bern, Göttingen, Berlin u. Paris dt. u. frz. Sprach- u. Literaturwissenschaft (Dr. phil. 1887). 1888-1891 wirkte er an einem amerikan. College in Konstantinopel, 1891-1907 als Gymnasiallehrer in Bern u. übernahm dann eine Stelle im Landerziehungsheim Glarisegg am Bodensee. 1915 wurde er an die Universität Bern berufen, die ihn 1916 zum a. o., 1921 zum o. Professor für Methodik des Deutschunterrichts u. Sprache u. Literatur der dt. Schweiz ernannte. G. spielte jahrzehntelang als Literaturkritiker am Berner »Bund« eine wichtige, wenn auch nicht unproblemat. Rolle: Er zog traditionelle, konservative Literatur neuen Strömungen vor. Als Philologe u. Dozent setzte sich G., ein hervorragender Didaktiker, für eine gewissenhafte Pflege des Hochdeutschen ein (Deutsche Sprachschule für Berner. Bern 1900. Deutsche Sprachschule für Schweizer Mittelschulen.Bern 1922. Kolumne Sprachpillen im Berner »Bund«), bemühte sich aber gleichzeitig um die Wiederbelebung, Aufwertung u. Reinhaltung des schweizerischen u. speziell des Berner Dialekts (Kleines berndeutsches Wörterbuch. Bern 1904. Das Berner Mattenenglisch... Bern 1930. 21967. 31979. Berndeutsches Wörterbuch. Postum Bern 1967). Letzteres Ziel verfolgte G., dem eine eigenständige Schweizer bzw. Berner Literatur Herzensanliegen war, auch als Sammler u. Herausgeber (Volksliedersammlung Im Röseligarte. 6 Bde., Bern 1908-25. Neudr. 1985. Schweizerdeutsch. Zürich 1918. Historische Volkslieder der deutschen Schweiz. Lpz. 1922), als Gründer u. langjähriger Leiter des Berner »Heimatschutztheaters« (1915) u. nicht zuletzt als Verfasser bühnengerechter, volkstüml. Dialektschauspiele: u.a. Der Napolitaner. Bern 1901. Knörri und Wunderli. Bern 1906. Ds Schmocker Lisi. Bern 1917 (nach Rudolf von Tavel). G. war auch aktiv als Förderer jener Autoren engagiert, die seinen Vorstellungen von Schweizer Literatur entsprachen: Simon Gfeller, Josef Reinhart, R. von Tavel u.a. Zudem war er maßgeblich am Zustandekommen von Emanuel Friedlis monumentalem, literar. einflußreichem Bärndütsch-Werk (1905-27) beteiligt. Als Literarhistoriker u. Mitarbeiter dt. Zeitschriften u. Lexika (Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. 1928/29) erhob G. seine patriotische Literaturdoktrin zum wissenschaftl. Kanon, indem er die Schweizer Autoren nach den »als eigentümlich schweizerisch erkennbaren Zügen unseres literarischen Lebens« auswählte, beurteilte u. einordnete. Damit kam er den Auffassungen seines Zürcher Rivalen Emil Ermatinger sehr nahe, der die Deutschschweizer Literatur in seinem Buch Dichtung und Geistesleben der deutschen Schweiz (Mchn. 1933) gleichfalls nach außerliterar., staatspolit. Gesichtspunkten identifizierte.

WEITERE WERKE: E strube Morge. E Meitlikomedi i eim Akt. Bern 1897. - Vatter u. Suhn. Berndt. Lustsp. Bern 1898. - Die Mundart als Grundlage des Deutschunterrichts. Bern 1900 (Ess.). - Dt. Lesebuch für höhere Lehranstalten der Schweiz. Neubearb. der Ausg. Jakob Bächtolds. Bern 1904. - Kinderbuch für schweizer. Elementarschulen. Bern 1907. - Bärnerlüt. Bern 1911 (berndt. Dramen). - Der Chlupf. Berndt. Lustsp. Bern 1913. - Der Deutschunterricht als Weg zur nationalen Erziehung. Lpz. 1914 (Ess.). - Dt. Sprache in der Schweiz. Mchn. 1917 (Ess.). - Jeremias Gotthelf. Basel 1918 (Ess.). - Die Mundartdichtung der dt. Schweiz, geschichtl. dargestellt. Lpz. 1924. - Berner Geist - Zürcher Geist - Basler Geist (zus. mit Walter Muschg u. Carl Albrecht Bernoulli). Zürich 1926. - Sprache, Dichtung, Heimat. Bern 1933 (Ess.). - Mundart u. Schriftsprache. Bern 1935 (Ess.). - Sprachpillen. 2 Bde., Bern 1938 u. 1940 (Glossen).

LITERATUR: Unserem O. v. G. zum 60. Geburtstag. Eine Festgabe v. seinen Freunden. Bern 1923 (mit Bibliogr.). - O. v. G. zum Gedächtnis. Bern 1940. - Georg Küffer: O. v. G. In: Vier Berner. Bern 1963.
(Bertelsmann Literaturlexikon)