Tanz zwischen Traum und Angst: Claire Goll (1890-1980)

Nie hat eine Autorin mitleidloser hassen können als Claire Goll, geborene Clarisse Aischmann, die am 30.Mai 1977 in Paris starb. Sie habe «drei Menschen getötet», gestand die 85jährige noch 1976: «meine Mutter, Kurt Wolff und Paul Celan.» Von der Mutter, die in Auschwitz sterben sollte, war sie in München als Kind förmlich zur liebessüchtigen Neurotikerin geprügelt worden. In Erwartung eigener Mutterfreuden brachte sie mit 20 den Schweizer Verleger Heinrich Studer dazu, sie zu heiraten. Kurt Wolff, ebenfalls Verleger, zog sich ihren Hass zu, als er bei ihrer Scheidung von Studer nicht bereit war, die Liaison mit ihr zu leugnen und ihr so das Sorgerecht für ihr Kind zu erhalten. Sie habe sich «gefreut, wie ihm der Brustkorb eingedrückt wurde», sollte sie Wolffs Unfalltod von 1963 kommentieren. Und Paul Celan? Den hasste sie, weil sie Yvan Goll zu sehr liebte. 33 Jahre dauerte ihre Beziehung, und obwohl er sie mit Paula Ludwig und sie ihn mit Rilke und vielen anderen betrog, war sie von seiner Lyrik derart besessen, dass sie noch 1970, zwanzig Jahre nach seinem Tod, Paul Celan mit der Verleumdung in den Selbstmord trieb, er habe bei Goll abgeschrieben. «Ich verzeihe keinem» hiessen 1980 vielsagend die Memoiren der begabten Lyrikerin und Erzählerin, die sich nach einem Titel von 1971 selbst als «Traumtänzerin» sah. Yvan Goll aber lag wohl richtiger, als er sie in einem seiner letzten Gedichte als «Angsttänzerin» porträtierte.