Expressionist und Revolutionär im Bauernmilieu: Alfred Fankhauser

«Die Stunde ist da», ruft Samuel Glanzmann, ergreift den Blitzableiter und schreitet dem Gewitter entgegen. «Fasst Mut! Das Leben ist ein Schein! Wir müssen eingehen in die wahre Welt!» Und in leichtem Tanzschritt, dann in wilden Rhythmen, bewegt sich der Rebell dem Donner und dem Blitz entgegen. Der Tod des rebellischen Wiedertäufers im Blitzstrahl des Himmels steht am Ende des Romans «Die Brüder der Flamme», mit dem der am 4. November 1890 im bernischen Gysenstein geborene und am 22. Februar 1973 in Köniz verstorbene Alfred Fankhauser 1925 zu später Stunde nochmals Elemente des Expressionismus aufgriff. Der Käserssohn hatte sich 1915 während des Studiums an der Universität Bern mit einem echten Revolutionär, dem Russen Karl Radek, angefreundet, was dazu führte, dass er, obwohl vordergründig der Berner Bauernliteratur zugehörig, lebenslang für die Ideen des Sozialismus warb. Das wurde schon im Dialektstück «Der Chrützwäg» von 1917 erkennbar, das den hemdsärmlig-lustigen Schwänken des Heimatschutztheaters eine erschütternde Bauerntragödie gegenüberstellte. Und das kam im expressionistischen Roman «Der Gotteskranke» (1921) vollends zum Tragen, wo ein Schweizer Hauptmann zum Deserteur wird, weil er «krank» ist «von dem Gedanken, wie die Erde sein sollte und wie sie nicht ist». Während des Entstehens von «Die Brüder der Flamme» lernte Fankhauser 1924 den Maler Johann Robert Schürch kennen, der ihn in die Geheimnisse der Astrologie einweihte, sodass er ab 1927 nicht nur eine Reihe astrologischer Lehrbücher verfasste, sondern auch in den Folgebänden von «Die Brüder der Flamme», «Engel und Dämonen» (1926) und «Der Herr der innern Ringe» (1929), dem Okkulten einen grösseren Spielraum einräumte, als für das literarische Gelingen gut war. Zugleich waren seine Bücher aber immer auch Beziehungsromane, für die der fünfmal Verheiratete jede Menge persönliches Anschauungsmaterial mitbrachte. Fankhauser, der in späteren Jahren vorwiegend als Astrologe tätig war, Theaterkritiken für die «Berner Tagwacht» schrieb und immer wieder als Dramatiker von sich reden machte, schuf zwischen 1940 und 1952 eine Reihe von meisterhaften sozialen Zeitromanen, die zwar viel gelesen, aber von der Kritik nur selten rezipiert wurden, weil sie nicht im Buchhandel, sondern nur in der Büchergilde Gutenberg erschienen. Dazu gehörten «Der Messias» von 1940, wo ein reicher Fabrikdirektor zum Arbeiter-Wohltäter bekehrt wird, «Wahlenwart» (1944), worin Fankhausers ärmliche Jugend als Sohn eines Lohnkäsers gespiegelt ist, «Denn sie werden das Erdreich besitzen» (1947), wo ein Bauernsohn nach Erfahrungen im urbanen Bereich als Bauernsekretär zu seiner Herkunft zurückkehrt, und «Die Allmend» von 1952, wo ein Weltverbesserer mit der Idee einer demokratischen Wohn- und Arbeitssiedlung an der wachsenden Oberflächlichkeit der Menschen scheitert. Über linke Kreise hinaus Anerkennung fand eigentlich nur «Der Messias», dessen Titelfigur nicht etwa ein wiedergeborener Flammenbruder, sondern der mongoloide Sohn des erwähnten Fabrikdirektors ist, der sich nach und nach auch öffentlich zu ihm bekennt, «da man ja nie weiss, in welcher Gestalt der Messias kommt». Max Frisch, der den Roman 1940 in der NZZ besprach, war tief betroffen: «Das ist nun einfach Gestaltung. Das ist Schaubarwerden des Unsäglichen. Da gibt es nichts mehr zu sagen. Das ist Erlösung durch die Erschütterung, die einzig mögliche. Das ist Dichtung.»