Konrad Falke 1880 - 1942

Er war einer der freiesten, unabhängigsten und mutigsten Männer seiner Epoche, der am 19. März 1880 in Aarau als Karl Frey geborene Germanist, Dozent, Redaktor, Kunst- und Literaturmäzen, der unter dem sprechenden Pseudonym Konrad Falke publizierte. Über ein reiches Erbe verfügend, aber ununterbrochen literarisch tätig, Erstbezwinger mehrerer Alpengipfel, Überflieger der Alpen im Ballon, Theaterkritiker der «Frankfurter Zeitung», Herausgeber von «Raschers Jahrbüchern», mal in Italien, mal in Berlin lebend, wurde er sofort aktiv, als 1914 der Erste Weltkrieg begann, übernahm interimistisch die Feuilletonredaktion der «NZZ» und verhalf dem Blatt mit mutig-klaren Aufsätzen zu einer Haltung, die im Sinne Carl Spittelers auch dem Deutschen Reich gegenüber neutral war. Als absehbar wurde, was nach 1933 drohte, gab Falke seine Existenz als freier Schriftsteller und Privatier wieder auf und publizierte, quasi als Initialpamphlet einer unermüdlichen antifaschistischen Vortragstätigkeit in Europa und Amerika, im November 1933 auf der Titelseite der «NZZ» den Artikel «Der Name Mensch ist Gefahr» - ein Mahn- und Weckruf, der in Abschriften in Berlin zirkulierte und in grossartig klarer Formulierung all das zum Ausdruck brachte, was angesichts des allmählich sichtbar werdenden Naziterrors im Namen von Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu sagen war. An die schweizerischen Landsleute gewandt, gipfelte der Text in den Worten: «Heute dir, morgen mir! Ein Volk, das gegen ein Verbrechen an der Menschenwürde nicht mehr seine Stimme erhebt und sich durch Schweigen zum moralisch Mitschuldigen macht, das wird an dem Tage, an dem es für sich selbst einzustehen hat, mit dem Fluche der Feigheit geschlagen sein: der Schwäche.» 1937 gründet Falke zusammen mit Thomas Mann die Exilzeitschrift «Mass und Wert», die den Verfolgten des Naziregimes eine Stimme gab. Und im zweiten Heft erschien da auch sein Aufsatz «Hakenkreuzigung der Kunst» - eine Abrechnung mit Hitlers Kunstpolitik, die in der Zeit selbst wohl überhaupt die klarste und deutlichste Zurückweisung der anmassenden faschistischen These von der «entarteten Kunst» darstellte. Dass Falke von den Nazis ernst genommen wurde, belegt im Übrigen die Tatsache, dass sein 1934 publizierter Essay «Machtwille und Menschenwürde» noch 1937 auf deren Liste «schädlichen und unerwünschten Schrifttums» kam. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, befand sich Konrad Falke, der Schweizer, wie so viele andere Nazigegner, einer Vortragstournee wegen in Amerika. Dort, in Eustis, Florida, ist er am 28. April 1942 mit 62 Jahren an Typhus gestorben. Was er an Literarischem hinterliess, ist der gross angelegte, eigene idealistische Sehnsüchte verkörpernde Roman «Der Kinderkreuzzug» von 1924, der faszinierende, unorthodoxe und doch tief christliche Bibelroman «Jesus von Nazareth» (posthum 1950 publiziert) sowie fünf voluminöse, auf eigene Kosten gedruckte Bände mit nie gespielten klassizistischen Schauspielen. Was nicht in Vergessenheit geraten darf, ist die Erinnerung an einen verantwortungsbewussten Schriftsteller und Denker, dessen Aufsätze und Reden gegen Hitler in Sachen Mut und Zivilcourage eine ganze Reihe berühmterer Zeitgenossen beschämten, das Andenken an einen wohlhabenden, grossbürgerlichen Schweizer, der bewiesen hat, dass kämpferischer Antifaschismus auch damals nicht unbedingt nur eine Reaktion der unmittelbar Betroffenen oder eine Tugend der Linken zu sein brauchte.