Menschen und Mächte: Olav Duun (1876-1971)

«Gibt es je einen rechtschaffenen Menschen, so ist er dazu verurteilt, viel zu tragen. Gott allein weiss, was für eine Tat er für ihn vollbringen muss.» Sie weiss, was sie sagt, die junge Frau, die, eben Mutter geworden, im Zorn und aus Angst, sein Sohn Haakon könne es tun, den gnadenlos brutalen Schwiegervater erschlagen hat. Im Zuchthaus sucht sie zu verkraften, dass Haakon nicht Manns genug war, die Tat auf sich zu nehmen. «Medmenneske», «Mitmenschen» hiess der 1929 publizierte erste Teil der Trilogie, die 1931 mit «Ragnhild» und 1933 mit «Siste leveåre»/«Das letzte Jahr» weiterging und schilderte, wie Ragnhild, die geächtete «Ehemalige», nach der Entlassung die Dinge auf Stavsund wieder ins Lot bringt und schliesslich wieder mit Haakon zusammenlebt. «Am grössten ist der Mensch, wenn er sich aufrichten und nur noch Mensch sein muss», weiss sie am Schluss, als sie mit dem endlich klug gewordenen Mann den verschuldeten Hof für immer verlässt. Olav Duun hat die ersten 25 Jahre seines Daseins auf dem Hof seiner Eltern im norwegischen Namdalen mit genau den Menschen gelebt, die er später in seinen Büchern im Nynorsk ihres Alltags so dargestellt hat, dass ihre Erfahrungen miteinander und mit der Natur, dem Tod und den guten und bösen Mächten gleichnishaft wurden für eine ganze Welt. In der 6-bändigen Familiensaga «Juvikfolke»/«Die Juwikinger» (1918-23), die mit der Überwindung des Hasses durch die Liebe endet; in der erwähnten Ragnhild-Trilogie; in «Ettermæle»/«Der Gang durch die Nacht» (1932), wo ein Sohn die Unschuld des als Mörder verdächtigten Vaters beweisen will, und nicht zuletzt in «Menneske og Maktene»/«Der Mensch und die Mächte» (1938), dem Roman einer Insel, auf der nur wenige eine apokalyptische Katastrophe überleben, am Ende aber vor der Frage stehen, ob sie, nachdem ihnen das Leben zum zweiten Mal geschenkt wurde, nun imstande seien, am wirklichen Aufbau der Welt mitzuwirken.