«Os Sertãoes»: Euclides Da Cunha (1866-1909)

Fünf Jahre nach der blutigen Niederschlagung der von Antonio Maciel geführten Revolte der Bewohner des Sertão von Bahia konnte die Regierung Brasiliens aufatmen. Der Ausrottungskrieg im entlegenen Canudos war so gut wie vergessen und die Nation konnte sich voll der Modernisierung Rio de Janeiros zuwenden. Da kam 1902 unter dem Titel «Os Sertãoes» ein Buch heraus, das den ganzen Krieg auf 800 Seiten nochmals aufrollte, dezidiert Stellung für die Opfer bezog und auf eine ebenso wissenschaftlich exakte wie träf-engagierte Weise nachwies, dass nebst den früheren Kolonialherren vor allem die dem Sertão ahnungslos gegenüberstehenden führenden Schichten Brasiliens zu verantworten hatten, dass die entrechteten und verarmten Sertãoes in zynischer Weise zu gefährlichen Banditen gestempelt und ermordet worden waren. Autor war der Ingenieur und Journalist Euclides da Cunha, der als Reporter 1897 am Feldzug teilgenommen hatte und dem es im nachhinein nun gelang, die Geschichte mit dem Mittel der Literatur völlig neu zu schreiben und nicht nur die Besiegten von damals zu Helden der Nation, sondern das Sertão als Landschaft zu einem erstrangigen kulturellen Faszinosum zu machen. Wie nachhaltig die Wirkung dieses Hohelieds auf den trotzigen Mut einfacher Menschen in karger Landschaft sein würde, erlebte Euclides aber nicht mehr: Am 15. August 1908 wurde der Zweiundvierzigjährige von einem Kadetten erschossen, den er wegen einer Liebschaft mit seiner Frau hatte zur Verantwortung ziehen wollen.