Matthias Claudius 1740–1815

Mit seinem «Abendlied», einer wunderbaren Mischung aus Lied, Gedicht und Gebet – «Der Mond ist aufgegangen, / die goldnen Sternlein prangen / am Himmel hell und klar» – ist der am 15. August 17 40 in Reinfeld (Holstein) geborene und am 21. Januar 1815 in Hamburg verstorbene Matthias Claudius einer der beliebtesten und bekanntesten deutschen Dichter geworden. Der Pfarrerssohn war lange ohne Abschluss Student, ehe er zunächst bei den «Hamburgischen Adress-Comtoir-Nachrichten» und ab 1770 beim «Wandsbecker Boten» Redaktor wurde. Das letztere Organ machte er berühmt mit seinen Aufsätzen und Gedichten, die er nach der Einstellung der Zeitung unter Verwendung seines Pseudonyms in dem bis 1812 acht Bände umfassenden Werk «Asmus omnia sua secum portans» publizierte und vermehrte, während er in Wandsbeck wohnen blieb und den Kontakt zu seinen früheren Mitarbeitern und Mitstreitern Lessing, Herder, Goethe, Klopstock und anderen aufrechterhielt. «Geheimer Rath seiner guten Frau und ordentlicher Professor seiner schönen Kinder in Wandsbeck» spottete 1783 eine anonyme Flugschrift über den seit 1772 glücklich mit Rebecca Behn verheirateten Vater von fünf Söhnen undsechs Töchtern, der ganz offenbar alsein ganz frühes Beispiel eines, wenn auch bescheiden, von seiner Dichtung lebenden freien Schriftstellers gelten kann. Claudius hielt im Übrigen nichts von einer Kunst als Selbstzweck. Was er schrieb, war religiös grundiert und gehorchte einer strengen christlichen Ethik. «Ich mag von keiner Distinction zwischen Schriftsteller und Menschen Proben ablegen», schrieb er 1775 Johann Gottfried Herder, «und meine Schriftstellerey ist Realität bey mir, oder sollt es wenigstens seyn, sonst hohl’s der Teufel!» Mit dem Hang zur Realität hing es auch zusammen, dass Claudius eine bewusst einfache, dem Alltag abgehörte, volkstümliche Sprache schrieb, die seine Gedichte rasch populär machte. Am bekanntesten neben dem «Abendlied», das von Franz Schubert, aber auch von Carl Orff vertont wurde, sind das «Kriegslied», das «Wiegenlied bei Mondschein zu singen» und «Der Tod und das Mädchen», ein Gedicht, das Schubert zu seinem gleichnamigen Streichquartett inspiriert hat. Dass Matthias Claudius auch Humor hatte, belegt die im «Wandsbecker Boten» abgedruckte launische «Nachricht über meine Audienz beim Kaiser von Japan», wo er den «Chan» in einem erfundenen Japanisch Sätze wie die folgenden sagen lässt: «’SomeNto ’Filete ’Oschsa ’PituNi ’QuirlischemiNto», was auf Deutsch heissen sollte: «Die Welt ist, wie ich höre, sich überall gleich. So wird’s auch wohl in Europa an Einwendungen und Zweifeln gegen die Religion nicht fehlen?» In seinen letzten Lebensjahren verbesserte sich die soziale Lage des Dichters merklich, als der dänische Kronprinz ihm eine Jahrespension aussetzte und ihn zum Revisor der Altonaer Bank ernannte. Er erlebte noch die Französische Revolution und musste Wandsbeck erst 1813, in der Spätphase der Napoleonischen Kriege, verlassen und in Kiel und Lübeck Schutz suchen. Zum Thema Christentum hatte er 1802 im siebten Band von «Asmus omnia sua secum portans» geschrieben: «Wer nicht an Christus glauben will, der muss sehen, wie er ohne ihn rathen kann. Ich und du können das nicht. Wir brauchen Jemand, der uns hebe und halte, weil wir leben, und uns die Hand unter den Kopf lege, wenn wir sterben sollen; und das kann er überschwänglich.»