Ray Bradbury

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der elektronische Hund mit seinen blaugrünen Neonlichtern merkt es als erster, dass mit Feuerwehrmann Montag etwas nicht stimmt. Ist es möglich, dass ausgerechnet einer der Männer, die das Gemeinwesen vor der gefährlichsten revolutionären Droge, dem Buch, beschützen, heimlich zu den Aufwieglern zählt? Zu denen, die den Comics Lesetexte, den Homestories Analysen, den Maschinen Kopfarbeit, dem Entertainement schöpferisches Tun vorziehen und die sich zutiefst unglücklich fühlen in einer Welt, wo jedermann Tag und Nacht über Ohrmuscheln und Filmwände mit Klängen und Bildern berieselt wird, deren höchstes Niveau der niedrigste gemeinsame geistige Nenner ist?

«Ein Buch im Haus nebenan ist wie ein scharfgeladenes Gewehr», hat man Montag beigebracht, als er lernte, das Schädlingsgut Buch aufzuspüren und bei Fahrenheit 451 in Flammen aufgehen zu lassen. Und doch hat er nach 20 Jahren Dienst unversehens zu denken bzw. zu lesen angefangen und findet eines Tages Anschluss an die überzählige Minderheit der «Rufer in der Wüste». Damit sie nicht vergessen gehen, lernen diese Menschen die Bücher vor dem Verbrennen auswendig, jeder eines und so, dass der eine den Prediger Salomo, der andere «Gullivers Reisen», der dritte «Onkel Toms Hütte» in sich herumträgt. Und nach dem Untergang der geist- und sinnentleerten Maschinenwelt auch weiterhin mit sich herumtragen wird: dann nämlich, wenn die wenigen Geretteten in ihren zerschlissenen Gewändern flussaufwärts ziehen.

Der utoptische Roman «Fahrenheit 451» wurde 1953 vom damals 33jährigen Amerikaner Ray Bradbury geschrieben und ist als Diogenes Taschenbuch 20862 deutsch noch immer greifbar. Was nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Denn Bradburys dunkle Vision würde absurderweise gerade dann ihre Bestätigung finden, wenn niemand mehr das nach wie vor aktuelle Buch, sondern alle nur noch die längst wieder veraltete Truffaut-Verfilmung aus dem Jahre 1966 kennen würden...

Der Durchbruch war Bradbury übrigens schon 1950 mit dem inzwischen mehr oder weniger vergessenen Buch «Die Mars-Chroniken» gelungen, das eine fiktive Kolonisierung des Planeten Mars in den Jahren 1999 bis 2026 beschreibt und in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurde. Bradbury schrieb auch das Drehbuch für die Filmversion von «Moby Dick» (1956) sowie für die Fernsehserie «Twilight Zone». Als er am 5.Juni 2012 92jährig starb, war er aber für die Medien weltweit nach wie vor der Autor des Romans «Fahrenheit 451», der zu den vielleicht nicht meistgelesenen, aber immerhin meistgenannten Romanen des 20.Jahrhunderts zählt.