Lebenslang ein Nonkonformist: Heinrich Böll (21. Dezember 1917 - 16. Juli 1985)

Wer diese Erzählung aufmerksam liest, wird nie wieder Brot wegwerfen können! «Das Brot der frühen Jahre», 1955 erschienen, ist keins der berühmteren Werke Heinrich Bölls, ja im grossen Killy ist es nicht einmal erwähnt. Aber im Unterschied zu «Biilard um halbzehn», «Ansichten eines Clowns» oder «Die verlorene Ehre der Katharina Blum» arbeitet es, statt sie explizit zu benennen, die politischen Zusammenhänge unaufdringlich in eine einfach daherkommende, in Wirklichkeit aber höchst kunstvolle symbolische Erzählsprache ein. Die Geschichte einer plötzlichen Liebe, wohl der eigenen zur Lehrerin Annemarie Cech, ist es, die erzählt wird: Der Elektriker Walter Fendrich holt auf Bitte seines Vaters die Tochter eines Lehrerkollegen vom Bahnhof ab und erlebt im Coup de Foudre zu dieser 20jährigen Hedwig eine radikale Wende vom erfolgsorientierten Wirtschaftswunderkind zum Outsider und Skeptiker. Das Brot aber, nach dem Fendrich «süchtig» ist, macht in der Köstlichkeit, die es für die Bewohner der Trümmerstädte besass, nicht nur die Hungerjahre 1945-1948 nachvollziehbar, sondern bildet auch den Gegenpol zum Geld, das die herandämmernde Zeit der PKWs, Eisschränke und Waschmaschinen symbolisiert. Aber nicht nur die elementare Speise, auch die freie, aber treue Liebe und der Nonkonformismus werden da eindringlich besungen. Der Nonkonformismus, den der Nobelpreisträger von 1972 bis hin zu jener «kriminellen Sünde der Differenzierung» weiterpflegte, mit der er sich in der Baader-Meinhof-Krise von 1974 derart suspekt machte, dass nach dem weltweit betrauerten Tod des 68jährigen am 16.Juli 1985 ein unüberhörbares Aufatmen durch das rechte politische Lager Deutschlands ging. Wer weiss, dass Böll 1976 enttäuscht aus ihr austrat, empfindet auch die Rolle, die die katholische Kirche in dem frühen Werk spielt, als berührend. Fendrich kann sich nicht verzeihen, einmal zu spät in die Messe gekommen zu sein, und vor der schliesslich doch zustande gekommenen heimlichen Vereinigung der Liebenden sucht Hedwig noch rasch eine Kirche auf...