Sein Traumland hiess Sarmatien: Johannes Bobrowski (9. April 1917 - 2. September 1965)

«Ich stand/auf verschütteten Strömen, / hörte seufzen den Sand,/ich war ein hölzerner Schatten, /beschlagen mit Eisen, umflogen/ vom fallenden Licht.» Der Druck war unerhört, dem sich der Gefreite Johannes Bobrowski 1941-1945 an der russischen Front ausgesetzt sah. Deutschsprachig im litauischen Grenzgebiet aufgewachsen und von der sarmatischen Kultur zutiefst geprägt, war er Teil einer Armee, die deren Völker - Litauer, Polen, Russen und Juden - eliminieren sollte. Von Schuldgefühl geplagt, ist Bobrowski damals jener Dichter geworden, den die Welt 1962 erstmals zur Kenntnis nahm, als er für den 1961 publizierten Gedichtband «Sarmatische Zeit» den Preis der Gruppe 47 erhielt. Von da an blieben dem Lektor des Ostberliner Union-Verlags just drei Jahre, um ein Œuvre zu vollenden, das zu den wichtigsten der deutschen Literatur zählt. Es entstanden die Gedichte «Wetterzeichen», «Schattenland Ströme», und plötzlich vermochte er aus der Hermetik der Lyrik heraus- und als Erzähler zu Erfolg zu kommen. Mit dem Roman «Levins Mühle» von 1964, wo die Hybris des deutschen Herrenmenschentums in einer 1871 in Westpreussen spielenden Dorfgeschichte eindringlich vorweggenommen ist - ein Nationalist und Antisemit zerstört auf heimtückische Weise die Mühle des jüdischen Rivalen und glaubt bis zuletzt, damit im Recht gewesen zu sein -, und mit «Litauische Klaviere», dem Roman, der einen Lehrer und einen Musiker 1936 die Spur des litauischen Dichters und Klavierbauers Kristijonas Donelaitis aufnehmen lässt: Exponent und Symbol einer christlich orientierten Gerechtigkeit, die wie seine fast unstimmbaren litauischen Klaviere erst allmählich rein und klar zu klingen vermag. Aber die Vision war einem gefährdeten Leben abgerungen. Der plötzliche Erfolg und der Zwang, ihm schreibend gerecht zu werden, überstieg Bobrowskis Kräfte. Zwei Monate nach Beendigung der «Litauischen Klaviere», am 2.September 1965, erlag er, erst 48jährig, einer Blinddarmentzündung.